Irans Einbindung in die Weltwirtschaft: Folgenschwere Inkompatibilität

IranJournal/Jamshid Asadi:

Selbst wenn die neue US-Regierung die Sanktionen aufheben würde, wird der Iran weiter Probleme haben, internationale Geldgeschäfte zu tätigen. Grund sei die Inkompatibilität der Grundwerte der Islamischen Republik und ihres Bankensystem mit den internationalen Normen und dem modernen Bankenwesen, sagt der in Frankreich lebende Wirtschaftsexperte Jamshid Asadi.

Das aus der islamischen Revolution 1979 hervorgegangene religiöse Regime im Iran geriet sehr bald durch Konfiszierungen und die einseitige Aufkündigung von Verträgen, vor allem aber durch die Geiselnahme von US-Diplomaten in Teheran am 4. November 1979 ins Fadenkreuz internationaler Embargos und US-amerikanischer Sanktionen. Die schwierige Lage besteht seither in verschiedener Intensität fort.

Fortbestand haben dementsprechend auch die Diskussionen über die Richtigkeit dieser Sanktionen. Sie würden die islamische Regierung von Repressionen im Inland und dem Schüren von Konflikten im Ausland abhalten, argumentieren Befürworter. Gegner sind der Meinung, dass die Sanktionen der iranischen Bevölkerung schadeten.

Tatsächlich haben die Sanktionen die Bevölkerung im Iran mehr getroffen als die Machthaber. Die Frage ist nun, ob die Sanktionen in der Feindseligkeit der westlichen Mächte dem Iran gegenüber begründet sind oder in der Feindschaft der Islamisten gegenüber den westlichen Werten.

FATF und Palermo-Konvention

Wirtschaftsverbrechen geschehen auch über nationale Grenzen hinweg. Sie müssen also international bekämpft werden, damit den Tätern jeder sichere Hafen entzogen wird. Sollte das Finanzsystem eines Landes nicht mit dem internationalen im Einklang sein, ist dieses Land ein unsicherer Faktor für den internationalen Zahlungsverkehr. Deshalb wird sein Bankensystem aus internationalen Geschäften ausgeschlossen.

Deswegen legte die iranische Regierung unter Präsident Hassan Rouhani dem iranischen Parlament im Jahr 2018 vier Gesetzesvorhaben vor: zwei zur Reform des iranischen Bankensystems und zwei zur Anerkennung der FATF-Standards. Die FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) ist eine internationale Organisation gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung mit Sitz bei der OECD in Paris. Irans Beitritt in das Übereinkommen war eines der Ziele der Gesetzesvorhaben.

Keine internationale Institution kann Geldwäsche im Iran kontrollieren!
Keine internationale Institution kann Geldwäsche im Iran kontrollieren!

Wie arbeitet die FATF?

Die aus den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien und Kanada bestehende G7 (Gruppe der Sieben) gründete die FATF 1989 zur Standardisierung und Koordinierung der internationalen Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Die Arbeitsgruppe widmet sich fünf Kernaufgaben: der Festlegung von Normen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen, der Beratung von Staaten zu entsprechenden Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene, dem Erkennen und Offenlegen der Arten von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und weiteren Finanzverbrechen, der Reaktion auf neuartige Bedrohungen und dem Erstellen von Bilanzen und Berichten.

Ein multinationales Team von Experten für Nachrichtendienste, Finanzaufsicht und Strafverfolgung verfasst über einen Zeitraum von 14 Monaten Berichte über die Standhaftigkeit des Finanzsystems der Länder in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dabei wird zunächst geprüft, ob im Banken- und Finanzsystem des jeweiligen Landes Möglichkeiten zur Geldwäsche, zur Terrorismusfinanzierung oder Infiltrierung durch schmutzige Gelder besteht. Weiter wird die Kompatibilität der Gesetzgebung mit den Empfehlungen der FATF überprüft. Um die effektive Umsetzung der Gesetze sicherstellen zu können, werden im dritten Schritt Möglichkeiten und Fähigkeiten der Justiz sowie politische und geheimdienstliche Institutionen untersucht.

Auf dieser Grundlage gibt das Expertenteam schließlich seine Bewertung ab, damit die Länder die Funktionalität ihres Finanzsystems und mögliche Lücken feststellen und eventuell notwendige Verbesserungen in die Wege leiten können. Die FATF-Mitglieder ratifizieren den Bericht in einer Plenarsitzung.

Der Bericht ist rechtlich nicht bindend. Er wird jedoch von mehr als 200 Ländern und regionalen und internationalen Organisationen als Maßstab für ein gesundes Banken- und Finanzsystems angesehen, um illegale Aktivitäten rechtzeitig zu erkennen und abzuwehren und Kriminelle und Terroristen ausfindig zu machen. Zu diesen Organisationen gehören unter anderem der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Vereinten Nationen, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Europäische Union und der Golf-Kooperationsrat.

Sollte ein Land auch nach mehrmaligen Bewertungen die Kriterien der FATF nicht erfüllen, wird es auf die Liste der Länder mit hohem Risiko – die „schwarze Liste“ der FATF – gesetzt. Dies schränkt die internationalen Bankgeschäfte des betroffenen Landes stark ein. Denn es besteht immer das Restrisiko, dass durch das Finanzsystem dieses Landes gewollt oder ungewollt schmutzige Gelder in das internationale Finanzsystem sickern.

Mehrmalige Aufforderungen

In dieser schwierigen Lage befindet sich die Islamische Republik Iran. Dies hat bereits 2008 begonnen. Denn die FATF hat schon lange vor dem 2015 abgeschlossenen Wiener Atomabkommen und dessen Aufkündigung durch die USA unter Donald Trump im Jahr 2018 sowie den folgenden Sanktionen Berichte verfasst und den Iran gewarnt.

Die Organisation forderte das iranische Regime mehrfach auf, sein Bankensystem mit den FATF-Standards in Einklang zu bringen. Es wurden dafür fünf Fristen von jeweils vier Monaten gesetzt; die FATF hat auch Beratungen organisiert. Die Islamische Republik nutzte nichtsdestotrotz die Gelegenheit nicht. Der Iran wurde letzten Endes auf die schwarze Liste der FATF gesetzt und außerdem vom SWIFTNet ausgeschlossen – einem besonders sicheren Telekommunikationsnetz, das von mehr als 11.000 Banken weltweit genutzt wird.

Aber warum akzeptiert die Islamische Republik die FATF-Standards nicht und verschafft sich keinen Zugang zum internationalen Bankennetzwerk?

Erstens aufgrund der Unterstützung bewaffneter Gruppen wie beispielsweise der Hisbollah in Libanon, der Hamas in den palästinensischen Gebieten und der Ansar Allah (Huthi-Rebellen) in Jemen durch die Islamische Republik. Viele Staaten, unter anderem die USA, ordnen diese Gruppen und Organisationen als terroristisch ein. Die Islamische Republik jedoch bezeichnet sie als Teile der „Achse des Widerstands“ gegen die „Herrschaft des westlichen Kolonialismus“ sowie „reaktionäre arabische Länder“ und „das zionistische Regime“.
Die Islamische Republik schließt sich nicht der FATF an, um nicht zur Einstellung der finanziellen Unterstützung solcher Gruppen gezwungen zu sein. Als hundert Bankkonten der Hisbollah im Libanon auf Druck aus Washington gesperrt wurden, zeigte sich der Generalsekretär der Organisation, Hassan Nasrallah, unbesorgt. Der Iran werde den Bedarf der Hisbollah decken, machte er deutlich.

Die Übermacht der Revolutionsgarde

Die Quds-Brigade, die im Ausland operierende Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarde, pflegt mit Gruppen enge Kontakte, die von einem Teil der internationalen Gemeinschaft als Terrorgruppen eingestuft werden. Seit April 2019 stehen die Garde, viele ihrer Kommandeure sowie Personen und Organisationen, die mit ihr in Verbindung stehen, im Terrorverzeichnis der USA. Sollte die Islamische Republik die FATF-Standards übernehmen, müsste sich ihr Bankensystem also nicht nur der „Unterstützung des Widerstands“ in der Region enthalten, sonders auch jegliche finanzielle Verbindung zur Revolutionsgarde und Quds-Einheit kappen. Dies wäre in der von der Revolutionsgarde dominierten iranischen Wirtschaft unmöglich.

Hassan Nasrallah, Generalsekretär der libanesischen Hisbollah (li.) ist ein gern gesehener Gast beim Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei!
Hassan Nasrallah, Generalsekretär der libanesischen Hisbollah (li.) ist ein gern gesehener Gast beim Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei!

Das ist der zweite Grund dafür, warum der Iran die FATF-Regeln nicht akzeptiert: die Vormachtstellung der Revolutionsgarde in der iranischen Politik und Wirtschaft, die von hochrangigen Funktionären des islamischen Regimes bestätigt wird. „Sollten sich Informationen, Waffen, Geld, Zeitungen, Nachrichtenagenturen und andere Machtelemente in einer Organisation zusammenfinden, wird diese Organisation korrupt“, stellte Staatspräsident Hassan Rouhani im Dezember 2014 fest. Er habe auf die Revolutionsgarde Bezug genommen, interpretierten ihn anschließend Experten.

Auch Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif kritisierte im November 2018 – ohne konkrete Angaben zu machen – diejenigen, die durch Geldwäsche milliardenschwere Gewinne erzielten und gleichzeitig durch massive Propagandaaktionen gegen die Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche Stimmung machten. Ausländische Medien, darunter die Deutsche Welle, Al-Arabiya oder Radio Farda, berichteten in den vergangenen Jahren wiederholt über Fälle von Geldwäsche in Verbindung mit der iranischen Revolutionsgarde insbesondere in den arabischen Nachbarländern des Iran.

Institutionelle Korruption

Ein dritter Grund, warum sich die Islamische Republik den FATF-Standards entzieht, ist die institutionelle Korruption im Land. Die in Berlin ansässige Organisation zur Bekämpfung von Korruption Transparency International gab dem Iran 2019 in ihrem Korruptionsbericht nur 26 von 100 möglichen (positiven) Punkten und wies ihm den Platz 146 unter 198 Ländern zu.

Abgesehen von den Berichten westlicher Organisationen kamen in der Islamischen Republik mehrere Fälle weitreichender Korruptionsskandale ans Licht, an denen den Machthabern nahestehende Personen und Kreise beteiligt waren – darunter die Fälle von Rafiqdoost, Shahram Jazayeri, Mahafarid Amir-Khosravi, Mahmoud-Reza Khavari, Mehdi Hashemi Rafsanjani, Babak Zanjani.

Das Basel Institute on Governance kategorisiert das iranische Bankensystem als eines der für Geldwäsche anfälligsten Finanzsysteme weltweit. Das unabhängige gemeinnützige Kompetenzzentrum arbeitet seit 2012 daran, Korruption und anderen Finanzverbrechen entgegenzuwirken. In seinen Berichten von 2016 und 2017 stufte das Institut den Iran als das international größte Schlupfloch für Geldwäsche ein.

Die Gesetzentwürfe der Regierung zur Anwendung der FATF-Standards warten nach wie vor auf die Entscheidung des iranischen Expertenrates. Selbst wenn der neue US-Präsident Joe Biden sämtliche Sanktionen gegen die Islamische Republik außer Kraft setzen würde, würde das iranische Bankensystem dem SWIFTNet nicht beitreten und internationale Bankgeschäfte nicht ohne Weiteres abwickeln können, solange das Land die FATF-Standards nicht einhält.

Palermo-Konvention

Dem Schmuggel den Geldhahn abzudrehen, ist einer der effizientesten Wege, ihn zu bekämpfen. Um dies zu ermöglichen, einigten sich viele Länder in der UN-Generalversammlung im November 2000 auf ein Abkommen, das seit September 2003 in Kraft ist. Mit dem Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (auch Palermo-Konvention genannt) versuchen die Länder, Geldtransfers in Verbindung mit Menschen- beziehungsweise Waffenhandel zu unterbinden. Mehrere Länder sind der Konvention nicht beigetreten – darunter Bhutan, Somalia, Kongo, Tuvalu, Papua-Neuguinea, Palau, der Südsudan, die Salomonen und die Islamische Republik Iran.

Der Regierungsentwurf zur Anwendung der Palermo-Konvention fiel 2013 im iranischen Parlament durch. Beim zweiten Versuch wurde er 2017 von einem neu gewählten Parlament gebilligt. Parlamentsbeschlüsse sind im Iran jedoch erst nach der Ratifizierung durch den Wächterrat rechtskräftig. Die Mehrheit der Mitglieder dieses Rates misstraut allerdings internationalen Konventionen und Abkommen und lehnt sie aufgrund der Einflussnahme der „globalen Unterdrückungsmächte“ und des „internationalen Zionismus“ ab.

Damit bleibt für den Iran der Weg zur Zusammenarbeit mit Gruppen frei, die von der Weltgemeinschaft als aktive Schmuggler betrachtet werden. So warfen die USA der Hisbollah im Libanon im Jahr 2017 gemäß der Palermo-Konvention Drogenschmuggel vor und leiteten gegen die Organisation Ermittlungen ein.

Selbst der frühere Präsident des Iran Mahmoud Ahmadinedschad sprach im Sommer 2011 bei einer Konferenz zur Bekämpfung von Schmuggel von „unseren Schmuggler-Brüdern“. Diese Bezeichnung wurde von Medien und Experten als Hinweis auf Mitglieder der Revolutionsgarde interpretiert.

Jährlich werden Waren im Wert von mehreren Milliarden Dollar in den Iran geschmuggelt. Die Gewinne fließen in das Bankensystem und werden damit gewaschen. Die Revolutionsgarde ist im Bereich der Geldwäsche sehr aktiv. Was von der Weltgemeinschaft als Schmuggel und Geldwäsche betrachtet wird, hält die Islamische Republik für ein unveräußerliches Recht der Garde. Dem Bericht des iranischen Stabs zur Bekämpfung des Waren- und Devisenschmuggels zufolge wurden in den vergangenen Jahren Waren im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar pro Jahr am Fiskus vorbei in den Iran geschmuggelt. Dies habe unter inländischen Herstellern zu vielen Insolvenzen geführt.

Das Gesetz zum Beitritt in die Palermo-Konvention wurde bisher nicht vom Wächterrat ratifiziert. Das internationale Bankensystem hält deshalb Bankgeschäfte mit der Islamischen Republik nach wie vor für hochriskant. Im Falle möglicher Infiltrierung von Schmuggelgeldern in das Finanzsystem des jeweiligen Landes drohen Gerichtsverfahren und schmerzhafte Geldstrafen.

Ex-Präsident Mahmoud Ahmandinejad nennt sie "Schmuggler-Brüder": Die Kommandeure der iranischen Revolutionsgarde!
Ex-Präsident Mahmoud Ahmandinejad nennt sie „Schmuggler-Brüder“: Die Kommandeure der iranischen Revolutionsgarde!

Fazit

Der Ausschluss der Islamischen Republik Iran aus internationalen Abkommen, darunter die Financial Action Task Force on Money Laundering und das Übereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, resultiert aus der Gegensätzlichkeit der Grundsätze dieses Regimes mit den internationalen Normen.

Die Kosten dafür trägt die iranische Bevölkerung in Form von Elend, hohen Preisen und Arbeitslosigkeit. Der sogenannte Elendsindex aus Inflations- und Arbeitslosenrate hat sich laut offiziellen Angaben im Iran von 2011 bis 2019 um 12,4 Prozent verschlechtert. Waren und Dienstleistungen waren im November 2020 etwa 46,4 Prozent teurer als im Vorjahresmonat.

Ohne Konformität mit internationalen Normen des Finanz- und Bankenwesens lassen sich die Knoten der iranischen Wirtschaft nicht durchschlagen, auch wenn die USA erneut dem Atomabkommen beitreten, neue Abkommen verhandelt und die Sanktionen außer Kraft gesetzt werden würden. Jedes Geschäft braucht Zahlungen. Welcher seriöse Geschäftspartner würde mit dem Iran Geschäfte machen, wenn dieser weiterhin auf der schwarzen Liste der FATF und der Palermo-Konvention steht? Es sei denn, er verkauft teuer und kauft günstiger, damit er mögliche Strafen abdecken kann.

Die Islamische Republik hat keine andere Wahl, als internationale Abkommen anzuerkennen. Nur so kann sie ihrer zerschlagenen Wirtschaft auf die Beine helfen. Viele Befürworter des Regimes sehen darin jedoch den Verlust der politischen Unabhängigkeit und den zwanghaften Einklang mit dem bevorzugten Verhalten der westlichen Länder.

Dies bestätigt übrigens das Grundgesetz des Iran. Demzufolge widmet sich die Außenpolitik der Islamischen Republik der Verteidigung aller Muslime gegen unterdrückende Mächte (Paragraf 152), der Unterstützung des Kampfs der Unterdrückten gegen die Unterdrücker auf der ganzen Welt (Paragraf 154) und der Einheit aller muslimischen Länder (Paragraf 11).

Die Islamische Republik Iran hat zwei Möglichkeiten: den Einklang mit den internationalen Normen oder das Beharren auf eigene Grundwerte. Beide schließen sich gegenseitig aus. Das iranische Regime hat sich bislang für die zweite Möglichkeit entschieden und so das Land ständigen Sanktionen und dem Ausschluss aus der internationalen Gemeinschaft ausgesetzt. Leider ist kein Wille zur Änderung in Sicht.

Aus dem Persischen übertragen von Iman Aslani

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