Die Huldigung Abdollah Mohtadis für Abdolrahman Qassemlou

Die Ehrung von Abdollah Mohtadi, Vorsitzender der Komala-Partei Iranisch-Kurdistans, gegenüber
Abdolrahman Qassemlou, Vorsitzender der Demokratischen Partei Iranisch-Kurdistans, anlässlich einer
Feier im französischen Senat
Sehr geehrter Herr Kendal Nezan, Präsident des Kurdischen Instituts von Paris, sehr geehrte Frau
Qassemlou, Frau Mina Qassemlou, Dr. Hassan Shatawi und andere ehrenwerte Mitglieder der
Qassemlou-Familie,
Verehrte Gäste,

Liebe Freunde,
Bevor ich beginne, möchte ich dem Kurdischen Institut in Paris, Dr. Kendal Nezan und den
Organisatoren dieser wunderbaren Veranstaltung danken, die dem Gedenken an einen prominenten
kurdischen Führer gewidmet ist. Ich bin dankbar für die Einladung und die Gelegenheit, heute einen
Beitrag zu leisten.
Wir sind hier, um dem verstorbenen prominenten Führer, Dr. Abdolrahman Qassemlou, zu gedenken,
der vor dreißig Jahren von den so genannten iranischen Diplomaten, die sich als Terroristen erwiesen
haben, ermordet wurde.
Wie Sie wahrscheinlich wissen, war ich nie Mitglied der politischen Partei von Dr. Qassemlou, wobei es
meine beiden älteren Brüder zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit waren. Dennoch hatte
ich die Gelegenheit, ihn bei verschiedenen Gelegenheiten mehrmals zu treffen. Wir führten lange und
ernsthafte Diskussionen wie auch eher beiläufige Gespräche; wir nahmen an gemeinsamen
Veranstaltungen teil, wobei jeder seine eigene Partei vertrat, und wir arbeiteten in jenen revolutionären
Jahren bei gemeinsamen Projekten eng zusammen. Darüber hinaus reicht die lange Freundschaft und
Verbundenheit zwischen unseren beiden Familien mindestens ein Jahrhundert zurück, wie es in Dr.
Shatawis Buch “The Fate” (Das Schicksal) dokumentiert ist. Es ist bekannt, dass wir in einer bestimmten
Zeit unsere Differenzen und Meinungsverschiedenheiten, Rivalitäten, manchmal auch Spannungen und
leider auch Konflikte hatten, auf die keine unserer beiden Parteien stolz ist.
Ich erinnere mich noch lebhaft daran, dass wir beide im Mai 1979 in Teheran an einer Konferenz
teilnahmen, der Konferenz der Solidarität der Völker des Iran, die von der Nationalen Demokratischen
Front des Iran organisiert wurde und auf der wir uns in enger Abstimmung miteinander befanden. In
dieser Zeit gab es zahlreiche andere Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden
Parteien. Ein herausragendes Beispiel war unser gemeinsamer Aufruf zu einem Generalstreik in
Kurdistan aus Protest gegen die Hinrichtung von 59 politischen Gefangenen in Mahabad im Jahr 1983,
der sehr erfolgreich war. Die wichtigste und dauerhafteste Zusammenarbeit war jedoch die Bildung der
kurdischen Delegation im November 1979. Diese gemeinschaftliche Delegation sollte Verhandlungen mit
den Vertretern der Islamischen Republik Iran führen, was sie auch tat, aber sie ging viel weiter und
wurde für einige Zeit auch in anderen Belangen zu einem Symbol der kurdischen Einheit.
Und das war nur natürlich: Wir kämpften nebeneinander gegen ein brutales, totalitäres Regime, wobei
unsere gegenseitige Zusammenarbeit und Koordination zwingend erforderlich war. Trotz all unserer
Unterschiede hatten wir viele gemeinsame Werte und Ziele. Auf einige grundlegende Fragen dieser Zeit
reagierten wir mehr oder weniger gleich: Wir beide boykottierten das Ja-oder-Nein-Referendum der
Islamischen Republik, wir beide forderten die kurdischen nationalen Rechte sowie ein demokratisches
System im Iran. Wir haben beide an der kurdischen Widerstandsbewegung gegen den unberechtigten,
grundlosen Befehl Khomeinis teilgenommen, im August 1979 einen totalen militärischen Angriff auf
Kurdistan zu starten, oder besser gesagt, wir haben die kurdische Widerstandsbewegung organisiert.
Später kamen wir beide überein, einen Waffenstillstand zu erklären und Verhandlungen mit Teheran
aufzunehmen. Wir saßen im selben Boot, und zwar nicht als Passagiere, sondern als Besatzung, die
dafür verantwortlich war, das Boot auf die eine oder andere Weise in Sicherheit zu bringen.
Ein weiterer Punkt, in dem wir dieselbe Ansicht teilten, war die Beschaffenheit und die Diktion der
Beziehung zwischen den kurdischen Rechten und der Demokratie im Iran. Dr. Qassemlou prägte
bekanntlich den Ausdruck “Demokratie für den Iran und Autonomie für Kurdistan”, oder besser gesagt, er
nahm ihn klugerweise an, um die Verbindungen zwischen beiden zusammenzufassen. Dieser Satz
fesselte die Phantasie der Massen für einige Zeit und blieb mehr als zwei Jahrzehnte lang die
Hauptparole der kurdischen Bewegung. Er betonte immer wieder, dass die Kurden zwar gegen das
Regime kämpfen können, dass sie es aber, so vereint und gut organisiert sie auch sein mögen, nicht
allein zu Fall bringen können. Die Kurden können und sollten ein unverzichtbarer Bestandteil jedes
demokratischen Übergangs sein, aber sie können den Strukturwandel im Iran nicht allein herbeiführen.
Und er hatte Recht.
Ich lege besonderen Nachdruck auf diesen Punkt, weil ich der Überzeugung bin, dass er nach wie vor
gültig ist. Wir als Kurden im Iran brauchen mehr denn je eine einheitliche Zielsetzung und eine
einheitliche Vorgehensweise, daran zweifle ich nicht. Gleichzeitig können und sollten wir eine
lebensfähige Kraft des demokratischen Wandels im Iran und ein fester Pfeiler eines wirklich
demokratischen Establishments in der Zukunft werden. Die isolationistische Sichtweise behauptet, dass
das Heraushalten aus der iranischen Politik die kurdische Sache stärkt und die kurdische Sache besser
fördert. Tatsächlich ist das Gegenteil richtig. Wir brauchen Demokratie, um unsere Rechte zu schützen,
um zu Wohlstand zu kommen und zu prosperieren. Wir als Kurden sollten ein Mitspracherecht bei der
Gestaltung der Zukunft des Iran im großen Stil haben. Das behindert unsere Sache nicht. Im Gegenteil,

es stärkt sie. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass dies auch die Ansicht von Dr. Qassemlou war. Die
in letzter Zeit im ganzen Land verbreitete Protestbewegung, an der sich die kurdischen Städte
leidenschaftlich beteiligen, die mehr oder weniger dieselben Parolen rufen, gemeinsame Forderungen
stellen und von ein und demselben Gegner brutal behandelt werden, ist ein lebendiger Beweis für das
oben genannte Argument.
Dr. Qassemlou war auch in seiner eigenen Partei ein Reformer. Er war ein weitsichtiger Politiker, der es
wagte, neue Ideen zu entwickeln, zu erneuern und zu verändern. Und das bringt mich zu der
Überlegung, die ideologische Ausrichtung seiner und später auch meiner Partei zu ändern. Dies war
eine seiner letzten Herausforderungen. Mit der Veröffentlichung der berühmten Broschüre “Eine kurze
Diskussion über den Sozialismus” sorgte er in seiner Partei und unter seinen Anhängern für Aufsehen.
Zunächst war es keine totale Trennung von der sowjetischen Linken, sondern eher eine allmähliche
Distanzierung, die schließlich zu einem Bruch führte. Dies hatte auch Auswirkungen auf einige kurdische
Parteien in anderen Teilen Kurdistans, insbesondere in Irakisch-Kurdistan.
Etwa ein Jahrzehnt später durchliefen wir in der Komala-Partei Iranisch-Kurdistans einen Prozess mit
auffallenden Ähnlichkeiten, wenn auch auf unsere eigene Art und Weise. Natürlich gehörten wir zu
verschiedenen Parteien, mit unterschiedlichen Hintergründen, einer anderen Geschichte, einer anderen
Politik, und auch im Hinblick auf unsere ideologischen Hintergründe waren wir verschieden. Es war eine
prosowjetische Art von Linksradikalismus, die von der Tudeh-Partei inspiriert und beeinflusst wurde,
während wir alles, was mit dieser Art von Linkspolitik identifiziert wurde, ablehnten und stattdessen in
den siebziger Jahren einige Zeit lang mit maoistischen Ideen flirteten und schließlich zu Beginn der
achtziger Jahre auch damit brachen. Ihre war eher moderat, während unsere Ideologie bis Ende der
achtziger Jahre ziemlich rigide war. Ungeachtet all dieser wichtigen Unterschiede waren wir beide in
interne ideologische Kämpfe gegen die Geister unserer jeweiligen Vergangenheiten verwickelt. Es war
für keinen von uns ein leichter, geschmeidiger Ritt, wir haben einen hohen Preis dafür bezahlt. Aber am
Ende haben wir uns beide mit unterschiedlichen Maßnahmen an die Werte der westlichen
Sozialdemokratie angeschlossen. Eine beachtliche Entwicklung für beide Seiten.
Leider ist Dr. Qassemlou nicht mehr am Leben, um zu sehen, wie sich die Dinge in einer Weise
verändert haben, die er sich höchstwahrscheinlich gewünscht hätte. Alte, erbitterte Rivalitäten der
Vergangenheit sind in jüngster Zeit einem reiferen, gegenseitigen Verständnis und Kooperation
gewichen. Wir haben positive Schritte in die richtige Richtung unternommen. Im Jahr 2012
unterzeichneten unsere beiden Parteien ein Abkommen, eine Art des Bündnisscharta, die gemeinsame
Ansichten und Grundsätze enthält, was seinerzeit einen historischen Durchbruch darstellte. Im Jahr
2018 bildeten wir zusammen mit anderen Parteien das Zentrum für die Zusammenarbeit der iranischen
kurdischen Parteien. Dieses Zentrum ist zu einem Symbol der Einheit und zu einem wichtigen
Bezugspunkt für das kurdische Volk im Iran geworden. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse gibt es
mehr, was wir tun können und sollten. Wir müssen zu einer engeren Einheit ermutigen, mit der
internationalen Gemeinschaft als Einheit sprechen und gleichzeitig versuchen, mit der iranischen
demokratischen Opposition zusammenzuarbeiten, um zum Aufbau einer wirklich demokratischen,
pluralistischen, lebensfähigen Alternative beizutragen, in der die Kurden ihren Platz haben.
Was die Situation im Iran betrifft, so ist sie nicht “business as usual”. Im Iran finden grundlegende
Veränderungen statt, die es verdienen, dass die internationale Gemeinschaft sie berücksichtigt. Vorbei
sind die Zeiten des “kritischen Dialogs” mit dem Iran. Lassen Sie uns den Fehler nicht noch einmal
machen: Die Tage der so genannten Reformer im Iran sind vorbei. Sie haben in der Vergangenheit
große Hoffnungen geweckt und von den Wählern eine Chance erhalten, sie waren jedoch nicht in der
Lage, eine substanzielle oder greifbare Veränderung im Land herbeizuführen. Sie werden nun völlig an
den Rand gedrängt, aus der Regierung ausgeschlossen, vom Wächterrat disqualifiziert und in der
Gesellschaft diskreditiert, ohne jegliche Zukunft im Iran. Die jüngsten Entwicklungen haben der
internationalen Gemeinschaft mehr als genug Grund gegeben, ihre Position zu überdenken, über einen
Iran nach dem islamischen Regime nachzudenken und sich mit der demokratischen Opposition des
Landes, in der die Kurden eine Schlüsselkomponente darstellen, auseinanderzusetzen.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.