Brief iranischer Mediziner an die WHO

Sehr geehrte Damen und Herren,

Der Iran ist bekanntermaßen eines der von der “Korona” Covid-19-Pandemie am stärksten
betroffenen Länder. Trotz irreführender Erklärungen der Regierung, breitet sich der Virus
unkontrolliert aus, und zwar mit hohen und steigenden Infektions- und Tötungsraten (der Iran hat (17.361) 23049 Fälle und (1.135) 1812 Todesfälle bestätigt – Stand 23. März 2020 , obwohl einige Quellen auf Luftaufnahmen aus dem Gebiet von Qom eine wesentlich höhere Dunkelziffer auf Grund der Aushebung von Massengräbern vermuten lassen )

1 . Wir möchten der WHO und MSF für die humanitäre medizinische Hilfe danken, die dem Iran bereits zur Verfügung gestellt wurde.
Wie Sie leider auch wissen, sind große Teile dieser Unterstützung aus nicht nachvollziehbaren und offensichtlich nicht nur und vorwiegend aus nicht-medizinischen Gründen an Nachbarländer wie den Irak weitergegeben worden, wobei in einigen Fällen Lieferungen sogar auf dem Schwarzmarkt im Iran verkauft wurden. Das medizinische Personal im Iran arbeitet trotz der medizinisch und politisch schwierigen Situation gewissenhaft weiter. Sie sind jedoch einerseits durch die große Zahl der Betroffenen, und andererseits durch das Fehlen von Schutzmaßnahmen und von Hilfsmitteln wie Tests, Medikamenten und Schutzmaterialien extrem überfordert. Leider sind infolgedessen viele unserer Kolleginnen und Kollegen selbst erkrankt und eine größere Anzahl, bisher etwa 60, Ärzte und Pflegepersonal sind bereits an der Krankheit gestorben. Dies wird noch durch die Politik der Regierung verschlimmert, die Ärzte, einschließlich der internationalen Experten für Katastrophenmedizin und öffentliche Gesundheit wie Dr. Ahmadreza Djalali, aufgrund zweifelhafter und falscher politischer Anschuldigungen inhaftiert, ein Missbrauch, der von der WHO und den Ärzteverbänden weltweit bereits kritisiert wurde.
Unsere Bitte an Sie ist, dass Ihre Organisationen in Zukunft rasche Schritte erwägen sollten, um die Verteilung dieser Hilfslieferungen im Iran selbst zu überwachen und zu verwalten, und dass sie die Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern nicht Regierungen überlassen, denen man nicht zutrauen kann, dass sie ihre Verantwortung für ihre Bevölkerung in koordinierter und verantwortungsvoller Weise wahrnehmen. Bei einer schweren globalen Pandemie sollten ungünstige politische Faktoren berücksichtigt und durch geeignete Maßnahmen bewältigt werden. Besorgniserregend ist auch, dass sich die iranische Regierung und insbesondere das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) bisher auf die Verbreitung von Fehlinformationen konzentriert hat, wie z.B. politisch motivierte irreführende Behauptungen sowohl über den Ursprung als auch über notwendige weitere Maßnahmen in Bezug auf (Corona) Covid-19.

Mit herzlichem Dank,
Prof. Dr. Thomas Wenzel
Dr. Ali Gouche
Prof. Dr. Siroos Mirzaei