„Folter und schließlich die Ermordung von mindestens einer Person“

Von Frederik Schindler

 

Der ehemals hochrangige iranische Richter Gholamreza Mansouri soll für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sein und sich in Deutschland aufhalten. Reporter ohne Grenzen will ihn jetzt hierzulande vor Gericht bringen. Die deutschen Behörden schweigen.

Reporter ohne Grenzen hat beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen den iranischen Richter Gholamreza Mansourigestellt. Die Organisation wirft dem ehemals hochrangigen Richter und Staatsanwalt vor, persönlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für die willkürliche Inhaftierung und Folter von mindestens 20 Journalisten im Iran verantwortlich zu sein. Mansouri ist im Iran wegen Korruptionsvorwürfen angeklagt. Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen hält er sich momentan in Deutschland auf.

Mansouri soll demnach zwischen Januar und März 2013 die Verhaftung von mindestens 20 Journalisten veranlasst haben. Die Medienschaffenden sollen später in ein Internierungslager und dann in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran gebracht worden sein. In dem Trakt werden politische Gefangene in Isolationshaft genommen. Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen wurde einigen vorgeworfen, mit ausländischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten.

„Viele von ihnen saßen weiterhin in Einzelhaft und wurden misshandelt und gefoltert“, heißt es in der Anzeige, die WELT vorliegt. „Es liegt in der Verantwortung der deutschen Justiz, dafür zu sorgen, dass der Verantwortliche für solch schwere internationale Verbrechen nicht entkommt.“

Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige. Sie ist als einzige Behörde in Deutschland für die Verfolgung von Verbrechen des Völkerstrafrechts zuständig.

Der US-finanzierte Nachrichtenkanal Radio Farda berichtete, dass Mansouri über ein von der italienischen Botschaft in Teheran ausgestelltes Visum für die mehrfache Einreise in den Schengenraum verfügt. Nach Informationen von iranischen Aktivisten wurde dieses im Oktober 2018 ausgestellt und gilt für fünf Jahre.

Das italienische Außenministerium wollte sich auf WELT-Anfrage aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dazu äußern, ob es Mansouri ein solches Visum ausgestellt hat. Die italienische Botschaft in Teheran teilte mit, dass es in ihren Akten keinen Hinweis darauf gebe, dass ein Visum für Mansouri ausgestellt wurde.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es bereits am Mittwoch, dass Mansouri nicht über ein gültiges Visum einer deutschen Auslandsvertretung verfüge. Mansouri hatte allerdings im Juni 2018 ein Visum für die mehrfache Einreise in den Schengenraum, das von der deutschen Botschaft in Teheran ausgestellt worden war.

Laut der staatsnahen iranischen Nachrichtenagentur Young Journalists Club soll sich der Richter für eine medizinische Behandlung in einer Privatklinik in Niedersachsen befinden. Der Direktor der Klinik bezeichnete dies gegenüber WELT als „Fake News“. Mansouri selbst meldete sich am Montag mit einem Video zu Wort, in dem er angab, sich für eine lebenswichtige Behandlung im Ausland aufzuhalten.

Am Donnerstag hieß es aus dem Auswärtigen Amt, dass das Ministerium keine Erkenntnisse zum derzeitigen Aufenthaltsort Mansouris habe. Weitergehende Angaben zu Visum-Einzelfällen würden grundsätzlich nicht erteilt. Das Auswärtige Amt wollte die Frage nicht beantworten, ob die iranische Regierung Mansouris Auslieferung in den Iran fordert. Das für die Auslieferungszusammenarbeit federführende Bundesjustizministerium teilte mit, dass es sich „zu etwaigen strafrechtlichen Einzelfällen“ nicht äußern könne.

Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, forderte die deutsche Justiz auf, „keine falsche politische Rücksicht“ zu nehmen und Mansouri zügig zu verhaften und vor Gericht zu stellen. „Nichts wäre schlimmer, als einen schlimmen Verbrecher wie Mansouri straflos aus Deutschland entkommen zu lassen“, sagte Mihr.

Auch der in Großbritannien lebende exiliranische Anwalt Kaveh Moussavi bereitet einen Strafantrag bei der Bundesanwaltschaft vor. Mansouri sei „an einer kriminellen Verschwörung zur Geiselnahme beteiligt“ gewesen, sagte Moussavi WELT, diese habe „die Folter und schließlich die Ermordung von mindestens einer Person“ beinhaltet.

Der Anwalt bezieht sich auf die Ermordung des regimekritischen Journalisten Saeed Karimian. Karimian war Gründer des persischsprachigen Fernsehsenders Gem TV und wurde im April 2017 in Istanbul erschossen. Moussavi gab an, mehrere Opfer Mansouris zu vertreten. „Wir werden direkte Beweise von den Opfern vorlegen, die diese Anschuldigungen bestätigen werden“, so Moussavi weiter.

Der Anwalt war Kläger in einem Fall, der im November 2019 zu einer Verhaftung des iranischen Staatsanwalts Hamid Nouri in Schweden führte. Nouri wird vorgeworfen, eine Schlüsselrolle bei der Hinrichtung von Tausenden linken politischen Gefangenen im Jahr 1988 gespielt zu haben. Die Grundlage der Verhaftung waren Beweise des ehemaligen politischen Gefangenen Iraj Mesdaghi, der die Massenhinrichtungen 1988 überlebte und heute als Menschenrechtsaktivist in Schweden lebt. Auch Mesdaghi setzt sich für die Strafverfolgung Mansouris in Deutschland ein. „Es ist nicht möglich, Mansouris Verbrechen im Iran zu untersuchen. Wir wollen Gerechtigkeit“, sagt er WELT.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article209444965/Gholamreza-Mansouri-Iranischer-Richter-soll-in-Deutschland-vor-Gericht.html